Betreutes Wohnen in Pflegefamilien
Von der freiwilligen Leistung für Einzelne zur gesetzlichen Grundlage für Alle
„(…) ich dachte mir, wir probieren es einfach mal.“ Dieses Zitat ist Antwort einer Gastmutter auf die Frage, wie es dazu kam, dass sie eine ihr fremde Person mit Behinderung bei sich aufnimmt.
Das hat sich der LWL in den 1990er Jahren auch überlegt, als er anfing, das Betreute Wohnen in Pflegefamilien (BWF) unter dem Begriff Familienpflege als freiwillige Leistung für entlassfähige Patientinnen und Patienten der LWL-Kliniken umzusetzen. Menschen mit psychischer Erkrankung sollte in einer Laienfamilie eine Alternative zum Leben im Heim ermöglicht werden. Diese Familien wurden durch die LWL-Kliniken begleitet.
Zwei Jahre später entstand das Interesse auch bei freien Trägern im LWL-Gebiet, die Familien begleiten zu dürfen. 2002 schließlich fand die generelle Zuständigkeit für das Betreute Wohnen in Pflegefamilien im LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe seine Heimat. Seit 2020 hat sich die freiwillige Leistung des LWL zur gesetzlich vorgeschriebenen Leistung für Menschen mit Behinderungen bundesweit entwickelt. Mit Inkrafttreten der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetztes zum 1. Januar 2020 gehört das Betreute Wohnen in Pflegefamilien zu den Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie (für Volljährige) im Rahmen der Leistungen zur Sozialen Teilhabe des SGB IX.
Im LWL-Gebiet ist das Leben in einer Pflegefamilien bereits seit über 30 Jahren ein Erfolgsmodell für viele Menschen mit Behinderungen. Die Hilfeart ist nicht mehr auf Menschen mit psychischen Behinderungen beschränkt. Heute können Menschen mit den unterschiedlichsten Unterstützungsbedarfen die Leistung in Anspruch nehmen:
- Menschen mit komplexen Behinderungen und umfassenden Teilhabeeinschränkungen
- Mütter mit Behinderungen gemeinsam mit ihren leiblichen Kindern
- Junge Menschen mit Fetaler Alkoholspektrum-Störung (FASD)
- Ältere Menschen mit lebenslangen Behinderungen und zusätzlichem Pflegebedarf
Das Betreute Wohnen in Pflegefamilien bietet eine besonders passgenaue und sehr personenzentrierte Leistung zur sozialen Teilhabe. Wenn die richtige Familie gefunden ist, können nahezu alle Hilfebedarfe gedeckt werden.
Betreutes Wohnen in Pflegefamilien kann den Wechsel in eine besondere Wohnform abwenden, verzögern oder einen notwendigen Zwischenschritt zum Wohnen in eigener Häuslichkeit mit Assistenz darstellen.
Ebenfalls darf der finanzielle Vorteil für den LWL nicht außer Acht gelassen werden. 2022 beliefen sich die durchschnittlichen Fallkosten für einen BWF-Fall im LWL-Gebiet auf etwa 15.500 Euro. Zum Vergleich: In einer besonderen Wohnform belaufen sich die durchschnittlichen Fallkosten auf über 50.000 Euro pro Jahr. Auch können die vorhandenen Angebote in besonderen Wohnformen dann von anderen Menschen genutzt werden, die diese Unterstützung entsprechend benötigen.
Obwohl die Zahlen im bundesweiten Vergleich positiv sind, strebt der LWL einen weiteren Ausbau dieser Unterstützungsleistung an. Derzeit leben knapp 700 Leistungsberechtigte in einer Pflegefamilien. Die Zugänge bleiben dabei flexibel. In den letzten fünf Jahren sind 60 Menschen mit Behinderungen aus einer besonderen Wohnform in eine Familie gewechselt, 41 Personen wechselten aus der eigenen Wohnung mit Assistenz und 88 Personen wurden direkt in eine Familie vermittelt. Um künftig noch mehr Menschen diese inklusive Unterstützungsleistung zu ermöglichen, erfolgt eine kontinuierliche Akquise von Familien, eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, die Beratung interessierter Familien und die Durchführung von Fachtagungen.